«Expert View» – Nachhaltigkeit: Herausforderung und Chance zugleich – Aktueller Blick auf die Struki-Branche von Adrian Steinherr, UBS
Das Thema Nachhaltigkeit prägt den öffentlichen Diskurs wie kaum ein anderes. Politiker, Wissenschaftler, Wirtschaftslenker und Verbraucher zerbrechen sich die Köpfe darüber, wie sich die enormen ökologischen und sozialen Herausforderungen bewältigen lassen. 2015 haben die Vereinten Nationen (UN) unterstützt von 193 Ländern die «Agenda 2030» für nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Sie soll die Armut beenden und gleichzeitig den Klimawandel sowie die Ungerechtigkeit bekämpfen.
Laut Berechnungen der UN sind jährliche Investitionen von fünf bis sieben Billionen US-Dollar erforderlich, um die 17 Social Development Goals (SDG) bis 2030 zu erreichen. Allein diese Schätzung zeigt, dass kein Weg an der Finanzindustrie vorbeiführt. Wenn es darum geht, Ressourcen und Chancen für zukünftige Generationen zu bewahren, kann sie eine Art Scharnierrolle einnehmen. Das gilt zum einen in der Vergabe von Fremdkapital. Hier können die Banken den Prozess des Wandels unterstützen, in-dem sie beispielsweise keine Kohlekraftwerke mehr finanzieren.
Gleichzeitig kann und sollte die Nachhaltigkeit im Asset Management zu einer zentralen Stellgrösse werden. Die Transformation läuft, immer mehr Investoren greifen in der Kapitalallokation auf «ESG» zurück. Dahinter verbergen sich die Themenfelder Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (gute Unternehmensführung). Die Frage ist, wie sich diese Qualitätsmerkmale effektiv und konsequent in ein Portfolio übertragen lassen. In der Vergangenheit begnügten sich Investoren mitunter damit, brisante Sektoren, wie beispielsweise Waffen- oder Tabakproduzenten, auszuklammern.
Heute geht das Portfoliomanagement weiter. Unternehmen müssen höchsten ESG-Anforderungen ge-nügen, damit ihre Aktien oder Obligationen für eine nachhaltige Anlage infrage kommen.
Solche Ansätze dienen mehr als dem guten Gewissen. Für ESG-Anlagen gilt es, über unterschiedliche Zeithorizonte stabile Erträge zu generieren. Auf keinen Fall sollten Investoren ihr Engagement mit Ab-strichen bei der Performance «bezahlen» müssen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist neben Expertise im Portfoliomanagement das Informationsangebot essenziell – es braucht eine hochwertige und ausführ-liche Datenbasis, um die ESG-Musterschüler von der breiten Masse unterscheiden zu können. Aller-dings reicht eine vorbildliche Nachhaltigkeitsstrategie allein nicht aus. Der langfristige Erfolg wird auch in Zukunft entscheidend von der finanziellen und operativen Stärke eines Unternehmens abhängen.
Der Schweizer Markt für Strukturierte Produkte trägt dem Wandel Rechnung. Nachhaltige Anlagelö-sungen tauchen verstärkt im Angebot der Emittenten auf – sei es durch Aktienindizes mit ESG-Filtern, oder mit Drittemittenten, die spezifische Projekte finanzieren möchten. Unsere Industrie hat in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass sie schnell und flexibel auf ein sich veränderndes Umfeld reagiert. Insofern bietet ESG eine grosse Chance, da das Segment im Markt für Strukturierte Produkte mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter an Bedeutung gewinnen wird. Ich freue mich jedenfalls auf einen spannenden und fruchtbaren Diskurs um passende und erfolgsversprechende Lösungen.